Es wäre überhaupt nichts passiert ohne die Liebe.
Und das Lied bleibt schön. Ich schließe die Augen. Etwas muss sich verändern. Etwas muss anders sein. Aber er sitzt da in einer gelben Hose und einem kartierten Hemd und ich weiß nicht, ob ich ihn lächerlich finde, weil ich ihn hasse oder ob ich seine Gestalt wirklich lächerlich finde. Ich schließe die Augen. Etwas muss sich verändern. Etwas muss passieren. Mit jedem Augenaufschlag ändert sich die Perspektive – ich will kein schöner Moment sein. Er sitzt vor mir als wäre keine Zeit vergangen – keine zehn Minuten, keine drei vier Jahre, fünf – kein halbes Leben. Er sitzt vor mir in dieser ganz typischen, ausladenden Sitzposition, die den Raum um den Körper ordnen macht, alle Extremitäten quasi von sich gestreckt und mit der gelben Hose sieht er aus wie ein Seestern. Ich warte. Ich warte auf diesen Moment, wo du mir fremd bist. Aber es ist als wäre keine Zeit vergangen, als wäre nichts passiert – es passiert ja auch nichts. Ich schließe die Augen. Gelber Seestern, der Raum sortiert sich um den gelben Seestern, um deine Freiheit, der Raum sortiert sich um deine Freiheit. Ich will alles absagen, ich will jeden anderen Termin streichen – es sind keine Jahre vergangen, keine Zeit ist je vergangen und alles ist, wie es sein soll – ich bin hier, du bist hier – das reicht doch.
Ich würde ihm noch in dieser Sekunde alles verziehen. Einfach so. Einfach so, weil er er ist, würde ich vergessen, dass er er ist. Ich würde ihm verzeihen und es wäre nie etwas gewesen, es wäre nie etwas passiert. Endlich verstehe ich die Dummheit der Liebe und dass es nicht viele verschiedenen Lieben gibt, von denen ich träume – es gibt nur Eine und die Eine ist fort. Jeder Versuch mich mit ihm von ihm los zu reden bleibt verfangen in meinem Augeninnenraum der sich festhält an dieser Lücke zwischen Knopf vier und Knopf fünf eines, deines blauen Karohemdes. Unterhalb deiner Brust – diese sanfte Wölbung nach vorne, welche deinen Hemden unweigerlich widerfährt, wenn du dich in den Raum legst … diese Lücke mit Spotlight auf Brustbogen, weiße Brust mit ein zwei Haaren, Härchen. Das ist Liebe. Das ist die Dummheit der Liebe. Schwanz, denke ich – dein Schwanz hat einen leichten Knick nach rechts und der Bart steht dir wirklich nicht und es tut sehr weh, zu sehen, wie du den Nacken deiner neuen Freundin sehr zärtlich küsst, weil ich mich nicht daran erinnern kann, dass du meinen Nacken in all den Jahren je so sehr geküsst hättest.
Ich gehe. Ich gehe einfach so, weil es Zeit wird. Ich sage: Melde dich, wenn du mal in Berlin bist. Aber es tut wirklich weh, dass ich dir alles verziehen würde. Liebe tut wirklich weh.
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