Achtzig Prozent des Erfolgs ist die Teilnahme
„Zwei Nächte hintereinander träumte ich davon, dass ich mich in einen Mülleimer übergebe. Ich würgte grau-weiße Wölkchen hervor, die wie flüssiger Schaumstoff aus meinem Mund flossen. Ich wachte
auf und musste nicht einmal aufs Klo.“
Die Ärztin war jung und hatte einen kurzen Rock. Einen so kurzen, dass er die Farbe ihrer Unterhose sehen konnte, wenn sie vergaß die Beine beisammenzuhalten. Sie fragte ihn, ob er noch etwas
hinzufügen wollte.
„Ich glaube nicht“, antwortete er.
Die Ärztin notierte sich etwas auf den Block und schaute zu ihm hoch.
„Hatten Sie diesen Traum sonst noch einmal?“, versuchte sie es erneut und glaubte, so ganz ungezwungen.
„Nein. Ich träume sonst von korrodierendem Metall.“
„Interessant.“
„Ja.“
„Wollen Sie mir darüber mehr erzählen?“
„Lange Geschichte.“
„Wollen Sie sie mir erzählen?“
„Nein.“
Sie schwiegen. Die Ärztin stand auf und ging das Fenster schließen um die peinliche Stille zu füllen. Dabei konnte er ihre Beine von hinten betrachten. Sie setzte sich erneut. Überkreuzte diesmal
die Beine. Ihr Gesicht verriet nichts. „Erfahrungen zeigen, dass es nicht ratsam ist Entscheidungen sofort nach einer Stresssituation zu fällen“, sagte sie.
„Wessen Erfahrungen“, fragte er. Er machte seinen Job bereits seit 19 Jahren, sie hatte anscheinend auf dem Weg von ihrer Sponsion noch nicht einmal Zeit gehabt, sich einen neuen Rock zu kaufen.
Dieser Vergleich hing im Raum mit den kreisförmig aufgereihten Plastiksesseln, wie ein billiger Kloduft.
Es blieb wieder still. Im Fenster hinter ihrem Rücken bewegte sich im kalten Wind irgendein blühender Zweig. Er wusste nicht was für einer, mit Obstbäumen kannte er sich nicht aus. Der Wind
setzte erneut ein und weiße Blüten regneten vom dünnen Ast.
Die Ärztin blickte auf ihren Block und errötete aus einem nicht nachvollziehbaren Grund. Das war ihm unangenehm, er brachte ungern andere in Verlegenheit.
Sie schluckte trocken.
Gerne hätte er ihr gesagt, dass es in Ordnung ist, weil wenn es nicht ums Leben geht, ist es ziemlich egal. Aber er konnte nicht. Er überlegte noch, ob er ihr etwas sagen sollte. Freundlich
lächeln, aufmunternd nicken, irgendwas für die Spiegelneuronen.
„Gut. Dann sehen wir uns nächste Woche.“ Sie sah erleichtert aus.
Er nickte und ging. Er kam nicht mehr wieder.
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