Über eine Urruhe
Du kennst sie doch auch, diese Urruhe. Zumindest denke ich, dass jeder Mensch dieses Gefühl kennt, zum Beispiel wenn es Sonntag ist, dann sehnt man sich zurück in den Mutterleib, man sehnt dieses warme Gefühl eines schwimmenden Halblebens zurück.
Erzähl mir, kannst du dich noch daran erinnern, wie das so war, im Mutterleib?
Du hast also erkannt, dass du nicht aus einer Seele bestehst, sondern aus vielen, dass diese Seelen in dir miteinander kämpfen und jede ist eine eigene für sich.
Und darüber singst du mit deiner Band.
Ich denke daran, dass es kein Zufall ist, dass dich Wasser so begeistert. Alles Leben kommt aus dem Wasser und manches ging sogar wieder zurück ins Meer, der Mensch besteht aus soundsoviel Prozent Wasser, und wir würden doch alle gerne in den Mutterleib zurückklettern. Du liebst es zu baden, um ein bisschen vor der unruhigen Realität zu fliehen, ich erinnere mich wie wir früher zusammen badeten und du dann nach meinem Glied griffst, das Sperma zerteilte sich immer in tausende Flocken, die an der Haut kleben blieben, so musste man sich nach dem Baden erst recht noch einmal duschen.
Es war bestimmt auch kein Zufall, dass sich Virginia Woolf im Wasser das Leben nahm. Beim Duschen hast du immer Wasser mit deinem Mund aufgefangen und das dann entweder geschluckt oder mich damit angespuckt. Jetzt liege ich oft alleine in der Badewanne und suche meine Unruhe zu stillen, indem ich mir vorstelle, die Badewanne wäre der Mutterleib, in dem ich einst wohnte. Ich habe jetzt den Steppenwolf gelesen und verstehe dich auch ein bisschen besser, du hast ja eigentlich nur in Hesse-Zitaten gesprochen und ich kam mir damals immer so dumm vor, dabei hätte ich nur den Steppenwolf lesen müssen.
Über dich hinwegkommen oder um dich kämpfen? Drüber wegkommen oder kämpfen? Drüber wegkommen oder kämpfen? Drüber wegkommen oder kämpfen? Drüber wegkommen oder kämpfen? Puh.
Naja.
Jetzt dusche ich jeden Tag zwei Mal, um dich von meiner Haut wegzuwaschen, aber irgendwie klappt das nicht. Mein Selbstbewusstsein hole ich mir über die Romane, die in meinen Schubladen liegen, alle unfertig, und du fickst in den Betten, die ich längst kenne, und das Wasser, das aus den Duschen kommt, in denen du jetzt duschst, ist dasselbe wie in meiner Dusche. Im Übrigen hasse ich es zu duschen. Ich liebe diese Tage, man kennt sie ja, wenn man nicht duscht und stinkt, ich selbst verwende gar kein Duschgel, Deo nur selten. Den Geruch meines Parfums magst du, das weiß ich. Wegen dir dusche ich jeden Tag zweimal, obwohl meine Dusche gar nicht richtig funktioniert, ich bekomm nur mehr lauwarmes Wasser, aber dass ich etwas dagegen mache, das kommt mir auch nicht in den Kopf, da siegt deine Depression, denn diesmal hat meine Depression deinen Namen. Und genau an diesen Tagen wünsche ich mich zurück in den Mutterleib, den kennst du, oder? Den kennst du. Was ich eigentlich sagen wollte: Meine Unruhe, die kommt daher, weil ich mich zu sehr durch dich definieren möchte, aber ich mir mit meinem Mensch schon reichen sollte, J. D. aus Scrubs hat das auch geschafft, so schwer kann das doch nicht sein, nicht lieben, nicht geliebt werden, einen Teil in sich sterben lassen, um weiterzuleben, das hört sich doch nach einem annehmbaren Happy Ending an: nicht lieben, nicht geliebt werden, einen Teil in sich sterben lassen, um weiterzuleben.
Jaja, jetzt bin ich wieder alleine mit mir und meiner Unruhe, wir kennen uns schon gut, du gehst klettern und Cocktails trinken, ich lebe weiter mein Chaosleben, liege hier in meinem Mutterleib und habe bemerkt, dass meine Unruhe nur mir gehört, dass ich mein Leid nicht gerne teile, dass das mein Leid ist, ich und meine Unruhe, wir sind schon gute Freunde. Du hast nichts mehr zu sagen, das ist schade, ich habe noch so viel zu sagen. Was meine Unruhe betrifft, gehört die mehr zu mir als du, sei nicht eifersüchtig, das ist halt so, auch wenn sie mir keinen runterholt, obwohl, manchmal schon, denn masturbieren wirkt unheimlich entspannend, wenn mich dieser innere Antrieb durch die Welt jagt, egal ob als Flucht oder Suche.
Vielleicht denke ich mir das Leben einfach zu groß und zu schön.
(Den obigen Satz darf man nicht mit Pathos lesen, sondern ganz nüchtern.)
Jaja, ich und meine Unruhe, wir sind schon ein gutes Team, wir zwei, alles machen, alles, alles gleich, 20 und noch keinen Nobelpreis, naja, wie wir uns gegenseitig ergänzen wir zwei. Das ist Liebe, wir zwei sind Liebe, meine Unruhe und ich, ich und meine Unruhe.
Wie sehr ich bis hierher von meiner Unsicherheit getrieben wurde. Wir wollen sie doch stillen, wir Menschen, diese Unsicherheit, diese Unruhe, dieses An-der-Welt-Teilhaben, das mich so erschöpft. Yoga hilft da auch nur bedingt. So wie Nutella. Der eine hat ein egozentrisches Weltbild, um zu überleben, J. D. hat auch ein Happy Ending. Nach dem Trennen der Nabelschnur ist man alleine, und es macht auch Sinn, dass man beim Sterben alleine ist. Was dazwischen ist, ist auch nur irgendetwas anderes.
Für N. Ich schicke hier Sätze in eine Leere, ergeben Gedanken Sinn, wenn sie ins Vakuum gesendet werden, was bringt mir eine Liebe, die ins Vakuum sendet, was bringt mir ein Weltall, das ein Vakuum wird und war und ich bin ein Dazwischen, das ins Vakuum sendet und ich bin ein M und du bist ein N, das sind nachfolgende Buchstaben im Alphabet, das ergibt doch Sinn, da steckt doch etwas dahinter, was für unsere menschlichen Systeme logisch ist, N kommt im Alphabet nach M. Pluto ist schon lange kein Planet mehr und ich kann mir ganz gut vorstellen, wie's dem geht, dem Kleinen, dem armen Kleinen. Wie soll ich glauben, dass ich das Universum bin, wenn ich doch gezwungen bin, daran zu glauben, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und ich drehe mich immer nur, drehe mich um meine eigene Achse bis ich kotzen muss. Wie soll ich dieses Leben überleben, das nur ein Sterben ist, das meine ich ganz ohne Pathos: Kann mir endlich bitte jemand einen Wikipedia-Eintrag machen! Ich habe einen sexy Lebenslauf und sich selbst einen Wikipedia-Eintrag zu schreiben, das macht man einfach nicht, ich gehöre doch auf Wikipedia, Jungautor auf Wikipedia. Sieh mich an, Universum, ich existiere, wenn es auf Wikipedia steht, stimmt es bestimmt: Ich lebe und liebe, vögle, pisse, kacke, trinke und habe einen Überschuss an Emotionen und wäre lieber dumm, sodass ich meine Existenz nicht hinterfragen müsste. Liebes Universum, verzeih mir meinen Überdruss, verzeih mir, dass ich artikulieren muss, diesen Weltschmerz, den schon so viele vor mir erzählten, ich bin 20 und muss, muss, muss. Da ist diese Unruhe, Goethe kennt die bestimmt. Da ist diese Unruhe.
Liebes Vakuum, liebe unbefruchtete Eizelle, liebes Loch im Käse, lieber Gott und liebe Gespenster, ihr alle, liebe Rastlosigkeit, liebe Unzufriedenheit, liebe Einsamkeit, liebe Nächte, die ich kenne und die immer wiederkommen, um mich nicht schlafen zu lassen, liebe unbeantworteten Anrufe, liebe unbeantworteten SMS, liebe nie versendeten Briefe, liebe erloschenen Sterne, liebe Kaffeeflecken auf all meiner Kleidung, dies geht an euch, liebe, liebe Einsamkeit, die kennen wir doch alle gut, wir alle, lieber Niemand, liebes O, P, Q, liebe deutsche Wörter in der englischen Sprache, liebe verpasste Gelegenheiten, lieber Weltschmerz und Weltraumschmerz, lieber Weltgrant, ihr Lieben, ich habe euch allen einfach nichts mehr zu sagen, ihr könnte euer Leben leben, ich meines, das wars dann, ich werde nicht mehr kämpfen, ich habe euch nichts mehr zu geben, und will auch gar nichts mehr von euch, ihr könnt machen, was ihr wollt, ihr Lieben, liebe Reste im Nutellaglas, liebe Reste in Bierdosen, macht doch was ihr wollt, stinkt und sterbt, aber lasst mich in Ruhe damit und hört verdammt noch einmal auf mir Newsletter über eure Existenz zu schicken, das interessiert mich nicht mehr.
Liebes Gefühl, das hat man hat, wenn man Freunden einen Film oder ein Theaterstück zeigen will und man das dann selbst nicht genießen kann, weil man Angst hat, dass es ihnen nicht gefallen könnte. Lieber Gott, wenn ich nur an dich glauben könnte, und liebes Ich: selbiges. Wie lernen das denn die Großen, wie hat das Peymann oder so denn gelernt, kann mir das mal irgendjemand erklären, wie man das macht als 20-Jähriger, das haben die doch überlebt, bestimmt einige sind älter geworden als 20, ich kenne sicher zwei oder drei.
R, S, T.
Ich hab euch nichts mehr zu sagen, ich hab euch nichts mehr zu sagen, ich hab euch nichts mehr zu sagen. Jaja, soll sich Erde um Sonne drehen und so weiter, ich habe dazu nichts mehr zu sagen. Es tut mir weh, wenn ich zwei verschiedenfarbige Socken trage, aber so ist das Leben nun mal. Ich habe nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu sein. Es wurden Herzen gebrochen, aber nicht nur der Liebe wegen, nicht nur der sexuellen Liebe wegen, sondern auch um einer existentiellen Liebe willen, und gerade dieses Herzebrechen hat mich wieder zu mir geführt, klingt zu kitschig, oder? Was bin ich denn, wenn kein Universum, vielleicht eine Schulter zum Anlehnen, es wäre schon schade, wenn mich diese Welt nicht hätte, die Welt braucht mich ja doch. Ich bin nicht nur eine Ansammlung von Mails, die Welt braucht mich. Ich könnte tot sein, aber die Welt braucht mich, weil ich ja schon lebe, wegen eines blöden Zufalls braucht mich die Welt jetzt, weil ich jetzt ein Teil von ihr bin und mit mir stirbt die Welt. Dann senden die Menschen ihre Mails nur mehr in ein leeres Postfach eines toten Universums und dieses Universum soll eine Ansammlung der schönsten Gedanken werden, die in Mailformat in ein Vakuum transportiert werden, um nie wieder gelesen zu werden. Facebook-Accounts werden gelöscht, wenn der Besitzer stirbt. Und wie gesagt, es ergibt Sinn, dass man beim Sterben alleine ist, ich würde mich gerne in einem Uterus vergraben und mich dort mit einer Nabelschnur erhängen, aber beim Sterben muss man alleine sein, sonst kann man gar nicht sterben, denn sterben kann nur ein Egoist, ein Egoist im positiven Sinn. Ich habe es nie gelernt, egoistisch zu sein und jetzt muss ich mir auf einmal beibringen, herauszufinden, was ich eigentlich will. Ich habe Welten durchquert und Formen durchschritten. Naja. Und weiter wird es gehen.
Es gibt nie eine vollkommene Dunkelheit, weil die Lämpchen vom W-Lan-Router immer leuchten.
Ich habe mich in deiner DNA verloren, mich in deinem Universum verloren, zumindest dachte ich das einmal, jaja, bis ich mein eigenes Universum gefunden habe, oder vielleicht noch nicht gefunden habe, aber zumindest gesucht danach habe ich. Es tut jetzt auch nicht mehr weh, wenn ich alleine bin, jetzt kann ich wieder gerne alleine sein, alleine sein und einsam sein sind jetzt zwei verschiedene Dinge, die Unruhe lasse ich nur mehr manchmal zu, ja manchmal schon, dann werde ich ungeduldig und will Nobelpreis und die Liebe des Lebens gleichzeitig, aber das war es dann oft wieder, dann kommt Erhabenheit, Geduld, ein bisschen Überheblichkeit dem Leben gegenüber, weil man ja überheblich sein muss, wenn man sich vom Tod nicht unterkriegen lassen will oder vom Leben. Meine Nägel kaue ich noch ab, aber nicht aus Unruhe, nicht aus Unzufriedenheit, mehr aus Zufriedenheit, dass ich etwas überwinde. Jeder abgekaute Nagel soll ein Sieg sein. Kein Licht, keine Depression, ein Leben aus Kompromissen, gut, gut, gut oder schlecht, man muss nicht immer glücklich sein, das Leben, ist es nicht so schön, dass man immer glücklich sein muss, was uns nicht umbringt, das bringt uns nicht um, auch wenn es uns nicht unbedingt stärker macht. Ich und ich, wir sind ein gutes Team, wir wollen zumindest eines sein, auch wenn wir uns es nicht immer leicht machen, wir zwei, aber wir raufen uns immer wieder zusammen. Ich habe meine eigene DNA, das ist eine sexy DNA, glaubt mir das, meine DNA ist die schönste Wichsvorlage. Meine DNA kann ich in Museen hängen, meine abgekauten Fingernägel gleich dazu. Ich und ich, mein Körper und ich, wir, das ist schon was, die Welt braucht mich ja doch, zumindest als eine Schulter an der sich traurige Köpfe anlehnen können.
Die schönen Tage von irgendwas sind vorbei, also können doch neue beginnen, liebe Zeit. Liebe, liebe Unruhe, es ist so schwer, sich bewusst zu machen, dass man zwei Beine hat auf denen man stehen kann, warum ist das so schwer?
Also: Wofür wollen wir leben? Es wird Zeit. Gestern hatte ich eines dieser Gespräche, das man auch nur nachts und nach vier Bier führen kann. Ein Freund sagte einmal zu mir, er hätte
Bauchweh, und er fragte mich, ob das vom schlechten Essen käme und ich sagte, nein, das sind die Magengeschwüre. Bei diesem Gespräch gestern Nacht merkte ich, dass wir alle Scheidungskinder
sind, und wenn nicht, dann haben wir zumindest einen Vaterkomplex oder irgendwas. Deswegen möchte ich auffordern: Lasst uns die Magengeschwüre begraben. Im
Speise- oder Partyabteil eines ÖBB-Zuges fragte ich einen Konservativen, ob er im zweiten Weltkrieg kämpfte und er sagte, ich solle mir die Haare schneiden. Später wurde ich wütend und mir
gefiel diese Wut. Dem hätte ich gerne von den Magengeschwüren erzählt, aber er tat so, als würde er sie kennen und wenn man nichts zu sagen hat, will man sich auch gleichzeitig die Ohren
zuhalten. Ich habe ständig das Gefühl, ich sei mein ganzes Leben lang auf der Flucht oder auf der Suche oder irgendwas. Mir wurde gesagt, ich hätte ein Gefühl, den Zeitgeist einzufangen,
dabei geht es mir doch nur um mich. Ich spiele unplugged. Ich kann mir keine Nachrichten mehr ansehen und
keine Zeitung mehr lesen, weil es mir die Haare aufstehen lässt. Um bei mir zu bleiben, grenze ich mich von den anderen ab, indem ich Sachen sage wie „ist mir doch scheißegal“. Lass
Weltschmerz mehr zu Weltgrant werden und Magengeschwüre begraben!
Manchmal werde ich noch mein Selbst unter mir verlieren, ja das wird sein. Kein Platz für Tod und Depression. Die Welt braucht mich ja doch. Das ist schon ein schöner Gedanke, den ich mir hier mache, aber Zerrissenheit hin oder her, die Welt braucht uns. Vielleicht auch nur um Missstände aufzuführen, denn wenn ich das Kämpfen auch schon aufgegeben habe, lebe ich meine Utopien in meinen idealen Gedankenwelten aus. Ja, ich bin vielleicht ein Ozonloch. Ich bin auch eine Schulter, an der so viele Köpfe weinen können, dass es schade wäre, wenn mich diese Welt unterkriegen würde, dieses Wort gefällt mir: schade. Jeder braucht einen und noch besser sind zwei. Das reicht mir vorerst, um zu existieren. Was sollen mir Nachrichten, wenn ich ein Leben zu leben habe! Ich gehe lieber gut essen und trinke guten Wein in guter Gesellschaft als nur einen Funken Emotion über Politik zu verschwenden – all diesen emotionalen Aufwand verstehe ich ohnehin nicht. Wir können unser Happy Ending haben. Wir sind angekommen. Also lasst uns bleiben. Macht Fehler und steht dazu, denn wer sich nie traut, wird nie ausgelacht. Wofür auch immer, nur immer leben. Wir holen uns eine Flasche Wodka, setzen uns in dein Auto und fahren hin oder weg oder was auch immer und lass uns irgendetwas machen, ein Restaurant eröffnen, nein, ich bin Dichter, ich kann gar nicht kochen, aber egal, irgendetwas, wir können es uns leisten ein Jahr zu verschwenden, wir haben noch ein ganzes Leben. Leute, wir sind angekommen. Wir tragen Röhrenjeans und trinken Bier. Das ist die Zeit unseres Lebens. Endlich haben wir das, was wir immer wollten, inklusive Leid und Freude, du kannst weinen, das heißt, du lebst zumindest. Lasst uns unser Leben feiern – zumindest aus dem Grund, dass wir nichts Besseres zu tun haben. Wir sind angekommen, also lasst uns Zelte aufschlagen oder auch unter dem Sternenhimmel liegen, ist mir doch scheißegal, nur bleiben. Zeit verschwenden und Torte essen.
Dem Ende gehts zu und klüger bin ich nicht, naja, vielleicht ein wenig. Wer sich Offenbarung erwartet hat: es tut mir leid. Was soll ich hier jetzt noch sagen, so zum Schluss, viel gibt es ja gar nicht mehr zu sagen, würd ich sagen, was soll ich noch sagen, hm. Hat jemand eine Offenbarung für mich? Es wird Nächte geben, das weiß ich, da werde ich wieder das Leid von meiner Haut waschen, aber derzeit steht sie mir ganz gut, die Haut, die ich gerade trage. Derzeit mag ich mein Leid, das ich mit mir trage und ich kann auch gehen und stehen damit. Es läuft, es geht, es fließt oder so. Wenn man mal akzeptiert hat, dass das Leben Herpes ist, dann läuft es. Klischee hin oder her, in die Anstalt gehören wir alle, denn: Mein Freundeskreis besteht aus intellektuellen Alkoholkranken. Oder pseudointellektuell. Oder etwas dazwischen. Jedenfalls: alkoholkrank. Schon schwer, den Überblick zu bewahren, bei all diesen getrennten Elementen, oder? Das eine kann ich wenigstens, Elemente trennen und zerteilen. Oder gar nicht zerteilen, mehr von vornherein unzusammenhängend lassen, das hat bestimmt auch etwas mit Lieben zu tun. Aber für Offenbarungen bin ich der Falsche. Alles nur Klischees und Geschwafel.
Auf zwei Beinen stehen heißt es jetzt, nicht mehr müde sein, handeln statt jammern, weg mit dem Pathos, das tut mir leid, all dieses Pathos, weg damit, liebe Leichtigkeit, liebe, liebe Leichtigkeit, lass mich auf zwei Beinen stehen. Auf zwei Beinen stehen, um irgendwann wieder zu laufen, irgendwann, derzeit reicht stehen. Diese Unruhe in uns, dieser Steppenwolf in uns, den wir alle kennen, der ist wie der böse Onkel, der sich zu Weihnachten ansauft und dann grantig wird und die kleinen Kinder anmotzt, aber er gehört halt zur Familie und man muss lernen ihn zu lieben, das ist halt ein Teil der Familie und irgendwie liebt man diesen bösen Onkel auch. Meine Unruhe ist ein böser Onkel. Auf zwei Beinen stehen heißt es jetzt, morgen Nacht nenne ich meinen Penis Jesus und lasse ihn wiederauferstehen, so muss es jetzt weitergehen. Meine Unruhe lässt mich nicht lesen oft, nicht schlafen, so ist das halt, kann man zugleich ein Abgeklärter und ein Stürmender sein? Vielleicht liegt da auch meine Zerrissenheit. Ich war alles, bin alles und werde alles, Universum will ich sein, ein brodelndes. Lass Weltschmerz Weltschmerz sein, aber lieber noch Weltgrant. Der erste VW Käfer hatte nur 25 Schrauben, was solls, woher soll man das denn wissen, habe ich halt nicht alles von Handke und Jelinek gelesen, was solls, was solls. Auf zwei Beinen stehen heißt es jetzt. Licht anmachen oder ausschalten, das ist egal. Hörst du die Musik, hörst du sie, sie durchdringt mich und lässt mein Herz im Takt schlagen, bäm, bäm, bäm. Mir wurde gesagt, ich schreibe mit einer Unverschämtheit, danke dir, dass ich mir diese Unverschämtheit erlauben darf. Bäm, bäm.
Über meine Unruhe schreibe ich, über meine Urruhe, die ich suche und die ich kenne, die ich im Uterus meiner Mutter leben durfte, die ich im Zirkus kannte, die ich in der Logik und der Mathematik finde, meine Urruhe, die sagt, dass A quadrat plus B quadrat immer C quadrat ergeben wird, das lässt mich die Nächte gut schafen, dass das wenigstens so ist. Es herrschen so viele Missstände, aber auf Pythagoras kann man sich immerhin verlassen, das ist schon etwas. Aus Erde sind wir und zu Erde werden wir und eigentlich ist es schön, dass man beim Sterben alleine ist. Was soll ich noch sagen, ich bin ausgelaufen und hab nichts mehr zu sagen, liebe Welt, wir können ab jetzt coexistieren wie wir wollen, in einer Abgeklärtheit, die unseren Namen trägt. Meine Welt soll meine Welt bleiben und hat mit deiner nichts zu tun, liebes Universum.
Und jetzt nehme ich mir Zeit für ein heißes Bad, um all diese Gedanken wegzuspülen.