Foto: Luca Maximilian Kunze
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Zu Gast im Mai

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Ich schaue: auf die Uhr.
Ich lese: eine Nachricht.
Ich ziehe mich an.
Verlasse den Raum.

P.S.: In den ersten Tagen traf Verhoeven 24 Menschen, darunter fünf Frauen, spielte Schach oder buk Pfannkuchen. Als er sich jedoch mit Parker Tilghman verabredete, in Berlin als Dragqueen Pansy bekannt, eskalierte die Situation: Der Chatpartner war ob der öffentlichen Zurschaustellung empört, stürmte den Container, schlug Verhoeven mit der Faust nieder und zerschlug Mobiliar. Als er seine Wut auf Facebook öffentlich machte, war das der Anfang vom vorzeitigen Ende der Aktion.

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Dries Verhoeven, „Wanna play? “, Videostill Vimeo.
Dries Verhoeven, „Wanna play? “, Videostill Vimeo.

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Ich höre: sein Lachen.
Höre: Das hier ist meine Kunst.
Sichtbarkeit zulassen.
Begehren projizieren.
Er kocht mir Kaffee, in einer altmodischen Kanne.
Dreht den Hahn auf, lässt das Wasser laufen.
Er reicht mir die Tasse.
Unsere Finger berühren sich.
Er legt sich neben mich.
Nimmt ein Buch und liest mir vor.
Ich höre: seine Stimme, werde steif.
Er macht mir Essen.
Ich bleibe die Nacht.
Ich sehe: Menschen, die uns beobachten. Fotografieren.
Ein Reigen an Körpern, der um uns kreist.
(Das hier ist keine Leere, das hier ist ein Theater der Bedürfnisse.)
Verführung ohne –
Ich finde: was ich nicht suche.
Bin glücklich.

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Facebook-Seite Dries Verhoeven
Facebook-Seite Dries Verhoeven

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Doch der Mann schüttelt nur meine Hand.
Ich fühle: den Druck seiner Finger, den Schweiß seiner Haut.
Ich höre: leise Musik aus den Boxen.
Ich rieche: Essen auf dem Tisch.
Wir sitzen nebeneinander auf dem Bett.
Rund um uns nur Glas.
Ich sehe: den Vorhang vor uns.
Meine Nachrichten, weiter nach draußen projiziert. In die Welt.
Ich sehe: Menschen, die meine Phantasien lesen.
Meine Vorlieben.
Die mich studieren und betrachten.
Ohne zu wissen, dass ich vor ihnen sitze.
Nur durch eine Glasscheibe getrennt.
Ich fühle: meine Hand an seiner Hose.
Er rückt von mir weg.
Ich sehe: die Spiegelung meines Körpers im Glas.
Bin ich noch jung genug? Schön genug?
Ich höre: Ich will keinen Sex. Mit niemandem hier.
Ich lade Männer ein.
Mache Begegnung öffentlich.
Beziehungen sichtbar.
Schluss mit Verstecken.
Ich erfülle dir jeden Wunsch, außer dem einen.
Welches Bedürfnis kann ich dir befriedigen?
Such dir eines aus.

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Ich denke: Wer hat das mit mir gemacht?
Meinen Gedanken in die Welt projiziert? Meine Phantasien?
Aus dem Inneren fällt Licht auf den dunklen Platz.
Ich sehe: einen Mann.
Ich nehme mein Telefon und lese: Komm rein.
Ich betrachte meinen Körper im Glas. Annehmbar.
Jung genug. Schön genug. Gerade noch so.
Ich greife in meine Hosentasche.
Ich fühle: ein Kondom. Ein zweites.
Die Tür öffnet sich von selbst.
Der Mann ist jünger als ich, unauffällig und klein.
Ich höre: eine seltsame Stimme, die mich sofort erregt.
Ich will ihn spüren, hier und jetzt.
Im Licht des Containers auf dem dunklen Platz.
Für alle zu sehen.
Keine Geheimnisse.
Mein Sex wird mein öffentlicher Sex.
(Ich will: –)

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While Grindr support the arts, what Dries Verhoeven is doing by luring Grindr users under false pretenses is entrapment. This is an invasion of user privacy and a potential safety issue. We encourage other users to report his profile by using the 'flag' function on our app, so we can take action to ban the user. Together, we will work to keep these users out of our Grindr community.
(Grindr)

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Ich bleibe vor dem Container stehen.
Ich sehe: mein Profil, meinen Körper, meine Worte.
Verpixelt, doch ich erkenne mich sofort.
Mein Foto zerfällt in Quadrate.
Ich werde euphorisch.
Bin nicht mehr ganz.
Nicht mehr vollkommen.
Kann neu zusammengesetzt werden.
Ein Puzzle meiner selbst.
(Das hier ist keine Leere. Das hier ist ein Museum meiner selbst.)
Ich bin glücklich.

Dries Verhoeven, „Wanna play?“, Foto: Sascha Weidner
Dries Verhoeven, „Wanna play?“, Foto: Sascha Weidner

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Furthermore, I acknowledge that we live in an age of unprecedented anxiety about the tensions and borders between our public and private personas. The unaware Grindr user, deluded into thinking that he was on his way to an ordinary date with a random guy, climbed the Ubahn stairs only to see a glass vitrine fronting a projection on the inside walls of the container.
(Otis Chatzistefanou)

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Ich blicke auf, meine Augen schmerzen.
Ich stehe auf einem Platz inmitten der Stadt.
Ich sehe: inmitten des Platzes einen Container aus Glas.
Eine Wohnung, einsichtig und frei.
Drinnen ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl.
Vor dem Container ein Vorhang, weiß und rein.
Darauf projiziert ein Karussell an Fotos und Worten.
Ein Reigen an Männern, der um mich kreist.
Verfremdete Bilder, doch ich erkenne sie wieder.

Dries Verhoeven, „Wanna play?“, Foto: Sascha Weidner
Dries Verhoeven, „Wanna play?“, Foto: Sascha Weidner

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Ich sehe: mein Gesicht, meine Worte, mein Profil.
Sichtbar, überlebensgroß.
Ich fühle: den Druck meines Daumens auf Glas.
Eine Bewegung von unten nach oben. Manchmal zurück.
Ein Karussell an Worten, das um meinen Daumen kreist.
Unser Gespräch. Unser Chat.
Keine eindeutigen Worte.
Trotzdem Verführung.
Ein Gespräch ohne Regeln.
Doch ich verstehe: nichts.
Die getippten Worte sind keine Sprache.
Sind eine Begegnung, die ich ohne nachzudenken in die Welt sende.
(Ich weiß nicht, was mit mir geschieht. Ich kenne den Code nicht. Nichts ist kontrollierbar.)
Ich tippe: Was soll das?
Was willst du von mir?

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Ich folge den Männern und höre:
Meine Frau darf das nicht erfahren.
Keine Angst.
Komm mit, ich wohn’ in der Nähe.
Warum denn nicht hier?
Geld hab ich keines.
Ich brauche kein Geld.
Was, wenn einer kommt.
Dann sind wir eben zu dritt.
Wie heißt du?
Was interessiert dich, wie ich heiße? Ohne Namen sind wir gleich.
Nur eine Währung: unsere Körper.
NO FATTIES, NO FOREIGNERS, NO TOURISTS.
(Das hier ist keine Leere. Das hier ist ein Basar.)
Ich ziehe meine Runden.
Nur abgebrochene Gespräche, verschwindende Körper.
Ein Reigen an Männern, doch kein Kontakt.
Ich ziehe mich zurück.
Gebe mir selbst nicht nach.
Ich entgehe dem schlechten Gewissen.
Genieße das reine Spiel.
Die bloße Verführung, ohne –
(Kein Gedankenstrich, wieder nicht.)
Ich bin glücklich.
Ich schaue auf die Uhr.
Lese: eine Nachricht.
Sehe: ein Bild.
Wanna play?
Ich verlasse den Park.
Suche die Adresse.

Ankündigung „Wanna play?“, Foto: Studio Dries Verhoeven.
Ankündigung „Wanna play?“, Foto: Studio Dries Verhoeven.

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Ich bewege mich: wie erwartet wird.
Ich lehne mich zurück und warte.
Ich stehe auf einem Weg, der zum Unterholz führt.
Ich brauche: keine Worte, keine Verführung.
Nicht hier und nicht jetzt.
Ich genieße: die Vorfreude, das Warten, das Spiel.
Ich höre: die Musik des Praters.
Ich fühle: die dumpfen Bässe.
Ich blicke auf und schaue: in Gesichter.
Der Mond wirft etwas Licht durch die Baumwipfel.
Ich drehe eine Runde.
Niemand hier für mich. Noch nicht.
Ich greife in meine Hosentasche.
Ich fühle: ein Kondom. Ein zweites.
Ein kleines Glasfläschchen. Ich schraube es auf und rieche: Geilheit.

„Betreten verboten“, Daniel Schönherr
„Betreten verboten“, Daniel Schönherr

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Ich sehe: immer Körper, nie Augen, zu Boden gerichtete Gesichter.
(Es ist dunkel hier.)
Ich rieche: schweren Flieder.
Ich fühle: das Kratzen der Rinde an meinem Rücken.
Eine Bewegung des Kopfes von links nach rechts.
Manchmal ein Nicken.
Ein Karussell an Männern, das um mich kreist.
Ein Reigen an Körpern, der schnell wieder endet.
(Es ist Sonntagabend und kaum Verkehr.)
Ich denke: nichts.
Die gemurmelten Worte sind keine Sprache.
Sind geheime Zeichen, die ich ohne nachzudenken in die Welt sende.
(Ich weiß sofort, ob ein Wort für eine Verbindung reicht. Oder eine Berührung. Ich weiß, wie Kommunikation hier funktioniert. Alles hat seinen Code. Ist kontrollierbar.)

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Ich blicke auf, meine Augen schmerzen.
Ein Lichtkegel von der Stehlampe bis zu meinem Bett.
Das Strahlen des Telefons.
Sonst ist es dunkel.
Niemand hier. Noch nicht.
Ich rieche: an meinen Achseln.
Hole den Spray aus dem Badezimmer.
Sorge für den Duft, der erwartet wird.
Ich rieche: an der Bettdecke, am Polster. Annehmbar.
Ich nehme ein Kondom aus der Schublade. Ein zweites.
Ich schmecke: die Tablette auf meiner Zunge.
Ich schlucke und warte auf die Reaktion.
Ich greife noch einmal in die Schublade. Ein kleines Glasfläschchen.
Ich schraube es auf und rieche: Geilheit.
Ich ziehe die Vorhänge zur Seite und drehe das Licht auf.
Ich schaue auf die Uhr.
Ich betrachte meinen Körper im Spiegel. Annehmbar.
Jung genug. Schön genug. Gerade noch so.
Ich gehe in den Vorraum.
Mein Ohr an der Tür.
Ich höre: nichts.
Kein Klingeln, obwohl die Uhrzeit stimmt.
Ich ziehe mich an.
Verlasse die Wohnung.

1209

Screenshot „Daily Beast“
Screenshot „Daily Beast“

“We reveal our most wild, deviant, sexual, fantastical selves to the digital universe, for anyone to see, and yet, for some reason, maintain this subconscious expectation that only our desired audience will see it.”
(Adam Seymour)

1208

Mischa Badasyan sagt: I AM SORRY.
Sex als Kunstprojekt. Save the date.
Ein Jahr. 365 Tage, 365 Männer.
It has been a self-rape project.
Turned me into a machine.
Jeden Tag ein anderer Mann.
I tried to: care, love, be honest.
But I couldn’t keep it this way.
(Das hier ist meine Kunst.)
The project started and ended with violence.
Trust in …? Present pain!
Save the date.

Mischa Badasyan, „Save the Date“, Videostill Vimeo
Mischa Badasyan, „Save the Date“, Videostill Vimeo

1207

Ich finde: was ich suche.
Einen Körper. Bereit.
Ich brauche: keine Nachricht, keine Worte, keine Verführung.
Nicht hier und nicht jetzt.
(Das hier ist keine Leere. Das hier ist ein Supermarkt.)
Ich tippe: was erwartet wird.
Lege das Telefon zur Seite.
Bin glücklich.

1206

Looking for fun.
Please send a face pic.
No fakes. Only real.
NO FAKES. ONLY REAL.

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Ich denke: nichts.
Die getippten Worte sind keine Sprache.
Sind Bilder, die ich ohne nachzudenken in die Welt sende.
(Ich weiß sofort, ob ein Dialog für eine Verbindung reicht. Ein Satz oder ein Wort. Ich weiß, welches Bild ich senden muss. Weshalb ich eine Antwort bekomme. Oder nicht. Ich bin nicht zu überraschen. Alles hat seinen Code. Ist kontrollierbar.)

1204

“The fact that people have this thing in common means
they feel that they can trust each other.”
(Brian Stremick & Ian Faden, Ass & Dick)

1203

Ein Reigen an Männern, der nie an seinen Anfang zurückkommt.
Dafür ist die Nacht zu kurz.
Trotzdem erkenne ich die Bilder wieder.
Die Masse macht sie gleich.
Löscht Unterschiede aus.
Nur eine Währung: unsere Körper.
NO FATTIES, NO ASIANS, NO TWINKS.

No picS no chat,
No No No.
If I don’t respond
I’m probably not interested.
Not interested at all.
(Kein Gedankenstrich, kein –)

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Adam Seymour, „G-Force“ (2013)
Ruralranga.com

1201

Ich sehe: selten Gesichter, nie Augen, immer Körper.
Ich rieche: nichts.
Ich fühle: den Druck meines Daumens auf Glas.
(Oder auf etwas, das sich wie Glas anfühlt.
Ein Material, das mit mir kommuniziert.
Auf meine Berührungen reagiert.)
Eine Bewegung von links nach rechts. Manchmal zurück.
Ein Karussell an Bildern, das um meinen Daumen kreist.