Giardini del Principe
Im Wartezimmer: Morpheus & Tränen
Ganz neben dem Üblichen
Da ist eine Tür, die zum Balkon führt,
& eine Glasscheibe, die ich nur erahnen kann,
Mal weiß man, mal weiß man nichts,
Doch zwei Seiten, Dualismen, die gibt es nicht, das muss überholt sein,
(Bei Medaillen
& anderen Gegenständen, ja)
Volle Säcke im Wartezimmer
& eine Atmung, verflacht,
(Doch dies ist kein Symptomgedicht, sonst würde es ins Leere führen)
Ich bin doch nur hier,
Hier mit meinen Säcken, gefüllt
Mit Abhängigkeiten
& wie gesagt, mit einer handvoll Tränen
Wie oft ich schon gestorben wäre, ohne die Anderen & wegen »der Leute«
Das weiß nicht mal der Arzt, der fragt nur,
Ob jemand denn an Selbstmord denkt
& was werd' ich sagen, wenn er mich das wieder fragt,
Herr X, ja, vielleicht werde ich nach Lazio gehen,
Nach Palestrina, an irgendeinem dritten Juli, ja,
an welchem, das wird niemand sagen können,
& ich, ich werde mich hüten, sowieso,
Dritter Juli Neunundneunzig, weil
»when two worlds collide, when two worlds collide, no one survives, no one survives & (…)«
Weil das Erste, so sagte meine Mutter mir,
Das Erste was ich tat, war ihr auf den Bauch zu scheißen, das soll ein Beweis sein,
Der Erste für eine Anpassungsstörung, eine sogenannte,
(Ja, es ist so, manche von uns stammen aus Arbeiterfamilien,
& ich weiß, dass es nicht viele sind)
Eine lange Zeit bin ich zur Schule gegangen
& ein paar Jahre zur Universität,
Um durch ein Großraumbüro hindurch verfolgt zu werden
Von Schatten, ich spüre sie in meinem Rücken mit hysterisch großen Schritten,
Ich sage: Dekompensation
& werde destruktiv sein, wenn sich jemand traut mir weiter wehzutun,
Dann muss ich wohl ein Recht gebrauchen, das ein Unrecht ist,
& mir einen von ihnen schnappen,
Einen dieser Köpfe, die angebracht sind auf kubischen Körpern,
Die verkorkst sind & keine Pillen mehr vertragen,
Die vielleicht Mal aufgeschnitten werden sollten, um etwas hineinzustecken,
Einen Holzlöffel etwa, eine Faust oder ganz einfach einen Schwanz,
Eine Stange aus Hartplastik und Dopamin, um rührselig & effizient
Ein Mal kräftig umzurühren,
Bis der Löffel stehen bleibt im Kopf,
Wie bei Eintopf oder einem guten борщ,
Dann nehme man das Neptunsäckchen,
Falls da noch ein Rest ist, den es zu erledigen gilt
& denke an etwas, vor dem man noch Angst zu haben glaubt
Dem Schwimmen im offenen Atlantik vielleicht, von Metaphern bereinigt,
Dann mag man befreit sein,
Dann mag man geheilt sein, ganz vielleicht geheilt
(…)
[28/04 16:25] – Arbeitsheft
Weißt du,
für wie mitteilungswürdig,
für wie teilbar du dich hältst?
für sehr, ja sehr
& weißt du,
wie viele Realitäten
deine Perspektive für wahrhaftig halten würden?
eine Menge, ja
braucht denn irgendjemand eine Zahl,
oder reicht es nicht zu sagen:
Eine Wand, eine Hauswand blank verputzt,
blank an jedem Tag in der Farbe des Sonnenlichts,
das ist es,
was ich durch die Fenster meines Hauses seh’.
[26/04/18 16:11] – Arbeitsheft
[08:34]
Beim Aussteigen aus der Tram:
Eine Frau mit Tortenglocke in der Hand fragt laut: »Wolln'se was?«
Zwei Männer antworten gleichzeitig: »Ja bitte. Ja gerne. Ich nehm' was von dem Plastikkuchen.«
[16:18]
Für einen Dialog:
»Na ja, weißt du, vielleicht muss ich mich in den kleinen Dingen aufbäumen, um mich gegen überhaupt noch etwas aufbäumen zu können. Wirf' ein Stück Müll aus dem Fenster, du wirst dich kaum besser
fühlen. Bei mir ist das anders. Und das ist nicht immer so gewesen.«
[21/04 20:09] – Arbeitsheft
Als die Sonne bereits rot und tief in den Zwischenräumen einer Erle steht, sitze ich immer noch auf einer Bank am Rand einer großen rechteckigen Rasenfläche im Park, dessen gegenüberliegende
Seite von britisch anmutenden Mehrfamilienhäusern gesäumt ist. Ich sitze vor einer steinernen Tischtennisplatte, auf der die Auswechselspieler einer Gruppe Cricket spielender Inder stetig
wechselnd Platz nehmen. Oft – und vor allem, wenn der Spieler im blauen T-Shirt schlägt – jubeln sie und klatschen. Es ist das Szenario eines Vororts im Londoner Süden: Brixton, Clapham,
Streatham. Hinter mir auf dem Schotterweg schlägt ein Mädchen mit ihrem Federballschläger eine hellrote Plastiktüte vor sich her und ruft bei jedem neuen Schlag – immer, wenn die Tüte wieder
einen halben Meter von ihr wegfliegt – »Tor, Tor!«.
[18/04 18:53]
Susanne Schüssler (Geschäftsführerin Verlag Klaus Wagenbach) in einem Beitrag des Deutschlandfunk (13.04.2018) über die Zukunft des Buchs und der Buchbranche:
»Ich glaube, dass die Schulen eine der Hauptursachen sind für dieses Desaster, was wir haben, und ich sehe auch da ein großes Problem auf uns zukommen, was die zukünftige Entwicklung
betrifft.«
(…)
»Ich finde es katastrophal, weil in diesen Parteiprogrammen, also, in dieser Kulturpolitik kommt die ganze Zeit vor, dass wir digitalisieren, digitalisieren und uns gut aufstellen müssen. Ich
sehe nicht, dass bei den Kids irgendeiner nicht digital an erster Front ist, die sind alle super fit und schnell und können alles und wissen alles, wie sie es finden, und so weiter. (…) Wenn ich
aber die Lesekompetenzen ansehe, und davon lese ich nirgends irgendetwas, dass wir die Lesekompetenzen ausbauen müssen.«
Liebe Frau Schüssler, ja die mögen ein Problem sein, die Schulen. Aber wissen Sie, was ein ebenso immanentes Problem des deutschen Literaturbetriebs ist? Unbezahlte Praktika. So eins habe auch
ich im September 2016 unter der Schirmherrschaft von Oliver Lange im Vertrieb ihres Verlags absolvieren wollen. In insgesamt zwei dieser vier Wochen bin ich täglich – gekleidet in einen weißen,
astronautenartigen Ganzkörperanzug – die Steintreppen hinunter in den Keller gestiegen, um das verlagseigene Abteil von einem Wasserschaden zu befreien, der sich lange vor Beginn meines
Praktikums ereignet hat. Sollten Sie bzw. der von Ihnen geführte Verlag bei der Anstellung eines Praktikanten/einer Praktikantin nicht auch die Verantwortung eines Bildungsauftrags
tragen? Und macht es den Verlag Klaus Wagenbach nicht zu einer der Hauptursachen des gegenwärtigen Desasters? Eine ausübende Gewalt des gegenwärtigen »Desasters« ist
Wagenbach in jedem Fall, weil Sie, liebe Frau Schüssler, die ach so schlimmen Strukturen des ach so leidenden Literaturbetriebs einfach blind weiterreichen, anstatt sie einzudämmen, oder
es zumindest zu versuchen. In diesem Fall an mich. Doch ich weiß, dass ich mit meinen Erfahrungen nicht allein bin. Und wieso erwähnen Sie betreffend der Schuldfrage des sogenannten
»Desasters« des Buchmarkts eigentlich ausschließlich andere Akteure des Kultur- & Literaturbetriebs, anstatt eine Selbstreflexion zuzulassen? Weil der Verlag Klaus Wagenbach ein »linker«
Verlag ist und es reicht, das »Renommee« des Verlags, das – und da bin ich mir sicher – nicht viel mehr ist als seine Position im kulturellen Feld des Literaturbetriebs, zu nutzen,
um aus genau dieser Position – die im Übrigen schon eher prätentiös bzw. eine PR-Falschverortung ist – einige altkluge Phrasen zu dreschen?
»Katastrophal«, finden Sie nicht?
Und weiter:
»Wenn die potenziellen Leser zu einer Veranstaltung gehen, dann sind sie in dem Moment schon keine Leser mehr, weil sie das Gefühl haben, sie waren ja bei der Veranstaltung, und sie wissen
jetzt schon, worum es geht. […] Ich glaube nicht, dass es dem Lesen hilft, sondern dass es das Lesen eher einschränkt.«
→ LOL
»Anna« (für A.B.)
Die folgenden Worte mögen anmaßend klingen,
Anna, vielleicht können sie gar nicht anders,
und dennoch: Wo bist Du nur, wo kannst Du sein?
Am ersten Tag,
meinem allerersten in der Stadt
haben wir den Teufel beschwört, im Universitätsgarten,
den Teufel und die vielen anderen Dinge,
die in uns liegen wie Gespensterfische
– auch Hochgucker genannt –
Du wusstest es,
Du musst doch gewusst haben, was das heißt
»das Meer zu sehen«, den Himmel und den Boden
und was für Kierkegaard seine Krankheit zum Tode war
Du wusstest, wie es ist im Schlick zu stehen
– die Füße umspült von minutiösen Kaltwasserströmungen –
und vielleicht mit mikroskopisch kleinen Krebsen an den Knöcheln,
Du wirst doch gewusst haben wie es ist
das Meer zu sein, der Himmel oder ganz der Boden,
und nun,
Anna, nun weiß ich, dass Du gar nicht anders kannst.
[09/04 09:01] – Arbeitsheft
Three Billboards Outside Work:
I) Carsten Maschmeyer wirbt mit den blutunterlaufenen Augen aus rotem Graffiti für eine Fernsehsendung, in der er sich auf die Suche nach Deutschlands erfolgreichsten/interessantesten Startups
macht.
II) Für jeden Tag der Woche ein passendes Subway Basic-Sandwich als »Sub des Tages«
III) Das Deliveroo Känguru
[10/04 22:58] – Arbeitsheft
bis dorthin (gedacht), dass wir nur noch in einem (sozialen) Geflecht zueinander bestehen, in dem wir nur noch Position sind.
[11/04 10:45] – Arbeitsheft
»Deshalb hat es Amerika erschüttert, als vor ein paar Tagen eine Wasseruntersuchung im Walden Pond das Resultat erbrachte, dass der Stickstoff- und Phosphorgehalt dramatisch gestiegen,
dadurch die Algenentwicklung explodiert und der Fischbestand derart gesunken ist, dass Thoreau seine Hauptnahrungsquelle, das Angeln, heute wohl kaum noch würde betreiben können. Und wer ist
schuld daran? Die begeisterten Leser von »Walden«, behaupten amerikanische Medien; die auf eine halbe Million jährlich bezifferte Besucherzahl verkrafte der Teich nicht, zumal sich die
Literaturliebhaber benähmen wie die letzten Wilden: Vor Allem das Wildpinkeln setze große Mengen an Schadstoffen frei.« – [aus: »Walden ungeklärt«, Andreas Platthaus, FAZ 11/04/18]
[12/04 23:28] – Arbeitsheft
Die Selbstbeobachtung als Zustand. Die Beschaffenheit und die Wege der Selbstbeobachtung in der Depression. Wie verändert sie sich und von welchen Zeiträumen sprechen wir da?
[13/04 09:01] – Arbeitsheft
Update bzg. Three Billboards Outside Work:
Auf dem Deliveroo-Känguru-Plakat prangt jetzt ein riesiger rechteckiger Banner mit der Aufschrift »#Fr13:shameonyoudeliveroo«.
[08/04 11:12] – Arbeitsheft
»Depression ist die Melancholie einer Gesellschaft, in der alle gleich und frei sind. Es ist die Krankheit von Demokratie und Marktwirtschaft par excellence. In dieser Hinsicht ist die Depression
die unvermeidliche Kehrseite der Souveränität des Menschen, nicht dessen, der falsch handelt - sondern dessen, der gar nicht handeln kann.«
[Zitat Alain Ehrenberg, Deutschlandfunk 28/03/18: »Das erschöpfte, handlungsunfähige Selbst«]
[08/04 15:59] – Arbeitsheft
Letztens die Fahnen zu Joshua Cohens »Buch der Zahlen« (Schöffling & Co.) zugeschickt bekommen. Der Einstieg:
»Verpisst euch doch einfach, wenn ihr dies am Bildschirm lest!«
[08/04 17:11] – Arbeitsheft
Welche Entscheidungen treffen wir, indem wir an bestimmten Stellen überhaupt nichts sagen. Was könnte das Resultat einer durch eine Leerstelle erzeugten Entscheidung sein?
[08/04 19:56] – Arbeitsheft
»Jeder Autor schreibt in dem Glauben, sein Buch sei der endgültige Ruheplatz der schweifenden Seele, und er richtet sich darin für mehr als eine orientalische Dauer ein – doch ist es nur eine
Karawanserei, die wir bald ohne Förmlichkeit verlassen – wir lesen auf seinem Schild nur: Erfrischung für Mensch und Tier – und eine ausgestreckte Hand weist uns nach Isfahan oder Bagdad.«
[Henry David Thoreau: »Tagebuch I« (Matthes & Seitz Berlin 2016)]
[08/04 11:44] – Arbeitsheft
Ich kenne doch mein Vitamin
An jedem Morgen nehmen wir Vitamine,
die keine Vitamine sind
& müssen die Masken alter weiße Männer
– ihr kennt sie –
auf Displays, Screens
& Monitoren sehen,
doch wenn wir runter auf die Straße gehen,
dann wissen wir, dass dort jemand sein wird,
jemand, der auf einer Treppe sitzt,
& dass die Sonne
– im Frühjahr, an einem Samstagmorgen –
hinunterblitzen wird
auf einen krummen Löffel, auf ein Stück Alufolie
& in ein Gesicht, das versteckt ist, zumindest halb versteckt.
[06/04 23:58] – Arbeitsheft
Aufgeschlagen wie
mit dem Kopf einer Porzellanpuppe,
& angekommen in einem Zustand,
in dem das Selbst nun
umgeblättert werden kann,
denn alles kommt, wie es eben kommen will,
also lass' Dich berieseln dieses eine Mal, denn
das hier ist das Ergebnis einer Arbeit, es ist ein Privileg,
& manchmal wird ein Jagender belohnt
durch Zufall, dem einzig geltenden Prinzip.
[03/04 18:09] – Arbeitsheft
Präzision, Einbettung (und möglicher Beginn?):
»Aber eine solche Direktheit ist undenkbar.«
[Emily Ruskovich: »Idaho«]
»Meine Gehirnoberfläche hat Rillen
und tiefe Falten,
motorische Zonen und sensorische Zonen,
Areale für die Sprache
und Areale für das Verstehen.
Doch nirgendwo Mauern aus Beton,
keinen eisernen Vorhang und
keine Grenze.«
[Mircea Cărtărescu: »Europa hat die Form meines Gehirns«]
[02/04 23:00] – Arbeitsheft
»Auf dieser Seite«
Sag mir doch,
wer ist es, der das setzt
und wie es so weit kommen konnte,
dass all das hier
anscheinend eine Gültigkeit besitzt
– als Prinzip womöglich –
was dem einfachen Leben entgegensteht
ist nach seiner Qualität zu fragen,
oder sag mir doch, wer ist denn Schuld
an diesem Deckenlicht, wer hat die
Plastikpflanzen – aschfahl & »grün« – in die Ecken
dieses Raums gestellt?
Das Verlangen nach dem Einfachen
sollte das Verlangen des Tyrannen sein
oder sag mir doch, wie laut empfindest Du dieses Rauschen,
das ein Rauschen des Wassers ist
– das Wasser in einem Mühlrad –
schalt' es doch ab, bitte schalt' es ab.
[27/03 22:07] – Arbeitsheft
»Irgendwann in einem Sommer zwischen zwölf und vierzehn, als ich für eine Weile Zeitungen austrug – länger als wenige Wochen eines Sommers habe ich es nicht durchgehalten – kam mir immer diese
Vorstellung:
einmal abgeschieden zu leben, an einem See in Schottland o.ä. (…)«
click to play »Paperboy« (1984/1988)
→ [ http://www.8bbit.com/play/paperboy/643 ]
Auf der anderen Seite: Achtsamkeit
Vor unserer Tür
steht jetzt ein grüner Schrank aus Aluminium.
In den Schnee hinein
schimpft jemand »Arschloch«
auf eine sich schließende Tür
der Straßenbahn.
– »Mircea« bedeutet »Frieden« oder »Welt« –
Drei hungrige Raben
auf grauem Eis
und weißem Schnee
rupfen sie an einer Plastiktüte.
Jemand sagt, dass alles einen Klang besitzt
alles
– Das Wasser in einem Mühlrad –
jemand spricht von einem »wir« und bestimmt,
was auf der anderen Seite ist,
ja jemand fragt, ob jemand ihn beschützen kann
und jemand sagt
die Welt sei soundso auf allen Seiten, so,
dass wir alle uns beschützen müssen. //
[20 & 22/03]
Samstag, 17/03
~[22:00] Mit K. im PeterK.
Sonntag, 18/03
~[15:00] Messegelände, Halle 3
Wir stehen in einer Schlange vor verschlossenen Türen, hinter denen Götz Kubitschek eine Rede hält. Vor mir steht T. und spricht mit einer Frau, doch es ist zu laut, als dass ich sie verstehen
könnte. Sie: braune Locken, Mittdreißigerin, eher zierlich, eisblaue Augen. Nach dem Ende von Kubitscheks Rede erzählt mir T., was sie gesagt hat: »Ich bin zwar rechts, komme aber auch nicht
rein.«
~[16:00] Halle 5, Stand H302
Mit K. beim Stand von Schwarzkopf & Schwarzkopf.
»Was ist denn eigentlich mit euch los?«
-»Wie? Und was ist mit euch?«
»Eure Bücher sind aber auch nichts für Bibliophile«
-»Nein? Doch, das sind sie sehr wohl, denke ich«
»Das finden sie wirklich?«
-»Ja«
K. deutet auf die Biografien von Bud Spencer Teil I. & II.
»Matthes & Seitz verlegt die Tagebücher von Thoreau, da sind bisher auch zwei Bände (…)«
-»Also. Jetzt hören sie mal (...)«
»Bekommt ihr die Spiegel-Bestseller-Aufkleber eigentlich auf so Bändern zum Abrollen zugeschickt?«
-»(...)«
~[16:30] K. sagt, er hätte gehört, dass es gegenüber vom Stand des Institut Francaise Espresso für umsonst geben würde. Es stellt sich als Mythos heraus.
~[17:00] Stand des Gastlandes Rumänien
K. und ich stehlen eine halbe DIN A4 Seite Aufkleber, die hinter einem Buch ist. Die Aufkleber zeigen Comic-Bananen in diversen Ausführungen und den Spruch »Visual Playground«.
~[17:30] Bei dtv gibt es eine Coffee-Lounge. Die Wände hinter der Theke mit Pflanzen und erfrischendem Grünzeug verziert. Ja, ich glaube es war der Stand von dtv.
~[18:00] An irgendeinem 1-Mann-Stand wird uns eine Anthologie von Erzählern aus Aserbaidschan geschenkt. Wirkte ein wenig wie »alles muss raus«, weil die ersten Bilder von leergefegten
Standregalen schon auf in den Sozialen Medien kursieren.
~[19:00] T. stiehlt einen quietschgelben Pikachu-Kapuzenpullover von einem Stand der Manga-Comic-Con und wenig später ein kleines Pikachu-Kuscheltier und bindet es sich leger um den
Hals. Der Kapuzenpullover fühlt sich sehr weich an.
~[19:30] T.'s Jacke (eine schwarze Jack Wolfskin Jacke und die Jacke seiner Mutter) lässt sich nicht mehr auffinden. Er hatte sie vor einigen Tagen auf dem Messegelände abgegeben.
~[20:00] T. & D. & N & ich finden uns im Einsatzbüro des Security-Services der Buchmesse wieder. T. fragt bzw. ruft nach seiner Jacke, die ja die Jacke seiner Mutter ist. Sein Gesicht
halb verborgen in der Kapuze seines neuen Kapuzenpullovers. Wir fahren ohne Jacke nach Hause.
Montag, 19/03
~[01:30] T. & ich am Tresen des Cancun in der Eisenbahnstraße.
Auf dem Flachbildfernseher an der gegenüberliegenden Seite der Bar Bilder von New York City aus sich stetig verändernden Vogelperspektiven, im Hintergrund Jazz.
Leipziger Buchmesse 2018 – Ausschnitte aus einem Bericht
Samstag, 17/03
~[00:00] Party der Jungen Verlage: Eine viel zu große Tanzfläche spärlich gefüllt, zu ihren Seiten ein langer offener Flur mit ausgelegtem Teppich. Die Toiletten werden jeweils von einem
Rentner des passenden Geschlechts »bewacht«. Ja, das hier ist eine Verlagsparty.
~[02:00] Mit M. im Neuschnee gegenüber vom Felsenkeller. Nebenan ist eine Abiparty am laufen, dort ist T. seit einer Weile unterwegs.
K. & N. & ich gehen zu T. rüber. »Trance and Acid« von Kai Tracid ist der erste Song. K. & N. & ich sind uns einig, dass wir in unserer Abizeit auch gern eine
solche Party erlebt hätten. Vor den Toiletten werde ich von einem Anwesenden nach meinem Alter gefragt und warum ich hier wäre, schließlich sähe ich »so alt« aus.
~[04:00] Auf den Toiletten treffe ich Bettina Wilpert (»Nichts, was uns passiert«). Sie fragt mich nach ihrer Veranstaltung bei meinem ehemaligen Arbeitgeber am Folgetag. Als ich ihr sage, dass
ich schon länger nicht mehr beim Veranstaltungsort arbeiten würde, berühre ich sie kurz am Arm. Beim Verlassen der Toilette denke ich an ihren Roman und fühle mich unsicher wegen der
Berührung.
~[05:00 – 05:30] K. & M. & T. & ich gehen dem Schneesturm entgegen, der er jetzt zweifellos geworden ist. Wir finden kein Taxi. Ob es noch ein einziges freies Taxi in dieser Stadt
gibt?
~[06:00] Im ifz: K. tanzt. M. sagt, wie schön K. tanzen würde. M. angelt sich jemanden, der unser nächstes Taxi bezahlen wird. K. wird von einem Model abgeschleppt, das in Berlin
lebt und eine Beziehung führt.
M. &. T. & ich fahren mit M.'s Begleitung weiter zum elipamanoke.
K. bleibt im ifz.
~[06:30] M.'s Begleitung sagt, er müsse noch einmal in sein Büro gefahren werden, um »etwas zu holen«. M. & T. begleiten ihn, während ich im Taxi warte. Der Fahrer fragt, wer »der kleine
Mann« (T.) sei und, dass er ihn schon längst mal vermöbelt hätte. Als sie zurück ins Taxi steigen, hat T. eine halbleere Flasche Bacardi dabei. Die Stimmung ist leichthin gereizt.
~[07:00 bis 11:00] elipamanoke: (…)
~[12:00] T. und ich beim Verlassen des Clubs. Tiefer Schnee, ein weißgrauer Himmel, Wind. T. hat keine Jacke mehr. Es gibt kein einziges Taxi mehr in dieser Stadt. Wir nehmen die Tram zurück zu
mir.
Leipziger Buchmesse 2018 – Ausschnitte aus einem Bericht
Freitag, 16/03
~[23:00] Als T. und ich mit Prosecco die Treppen zur Moritzbastei hinunter gehen, werden wir von drei Herrschaften (älter als meine Eltern, jünger als meine Großeltern) gefragt, ob wir
ausschließlich zum Trinken gekommen wären.
~[01:00] Vor einer Cocktailbar in der Innenstadt: Zwei Männer steigen in ein Taxi. Im Keller: glatter Fußboden, die Lichter rot und violett. (Im Garten meiner Großeltern stand Flieder). Glatte
beige Ledersofas in den Ecken. Alles hier sieht irgendwie rund aus. Könnte der Anfang einer Szene aus Short Cuts sein. Nur, dass wir fast die Ältesten hier sind.
[später] In der Innenstadt in irgendwelchen Innenhöfen.
~[10:00] Als T. und ich kurz in einer Spielothek sind, erhalte ich einen Anruf zwecks Planung eines Vorstellungsgesprächs. T. spielt »Book of Ra« (wegen der Freispiele.
~[23:00] Mit K. bei -8°C. an einer Bushaltestelle. Der Bus kommt nicht und wir gehen zum Felsenkeller. Es schneit unaufhörlich.
Leipziger Buchmesse 2018 – Ausschnitte aus einem Bericht
Donnerstag, 15/03 14:30 – »Die Stadtführung«
T. und ich bei einer Stadtführung mit dem Titel »Zwischen Genie + Wahnsinn. Dichter und Denker in Leipzig. Psychiatriegeschichtliche Stadtführung«. Wir sind etwas zu spät am Treffpunkt
vor dem Naturkundemuseum und werden nachträglich gebeten, den »Obolus von 9,- für Erwachsene und 7,- für Studenten« (Zitat Stadtführer) zu entrichten. Dann diskutieren wir den Obolus. Ich sage,
dass ich für diese Veranstaltung nichts zahlen werde oder nichts zahlen kann. Am Ende zahlt T. 5,- Euro für uns beide. Wir sind jetzt Teil einer zwölf- oder dreizehnköpfigen Gruppe. Eine
ältere Dame unter uns scheint an Hautkrebs zu leiden, eine andere hat einen gebrochenen Arm. Einen anderen wird T. später als »den Obdachlosen« bezeichnen. Und ja, ehrlich gesagt: Dieser Gedanke
kam mir auch. Das Durchschnittsalter der Anwesenden muss ich nicht erwähnen.
2 ½ Stunden lang wird der alte Dualismus (s. Veranstaltungstitel) ausgereizt, bis zum mehrmaligen Erbrechen ausgereizt. Ich denke an Lobo Antunes' »Elefantengedächtnis« und bleibe mit dem
rechten Schuh in einem Kopfsteinpflaster an der Thomaskirche hängen. Die Sohle löst sich und reißt zur Hälfte ab. Irgendjemand aus der Gruppe lacht. Ich glaube, es ist die an Hautkrebs erkrankte
Frau. Ein Taxifahrer öffnet die Tür und sagt, er hätte Klebeband und ob ich das gebrauchen könnte. »Nicht nötig«, sage ich. Bei einer »allerletzten Anekdote« über das Leben Karl Mays flappe ich
mit dem Schuh. Hinauf und hinab mit dieser halben Ledersohle //
Später: Die Spitze des Völkerschlachtdenkmals aus R.s Küchenfenster im was weiß ich wievielten Stock //
[15/03 13:57] – Arbeitsheft
Motiv & Zusammenführung
1. Erzähler wirft eine Reißzwecke aus dem Fenster
2. Eine Katze tritt im Innenhof in die Reißzwecke
*
»I say madness is too pure like mother sky.«
*
& leider schon wieder Katja Petrowskajas Artikel zu Serhij Zhadans neuem Buch (FAS, 11/03).
2. Absatz: »Wer einmal in einer gotischen Kirche in Czernowitz Serhij Zhadan seine Kriegsgedichte und Rilke-Übersetzungen hat vortragen hören (er könnte vielleicht auch eine Messe lesen), der
ahnt, dass dieser wie ein rebellischer Teenager aussehende Mann mit seinen ewigen Chucks und in Jeans und schwarzem T-Shirt ein lebender Klassiker ist. Er macht es weder sich noch seinem Publikum
einfach. Eine gefährliche Art von Talent – aktuell, hautnah, akut. Es ist spannend, ihn zu beobachten, und sehr aufwühlend.
→ Ach, ach. Ach bitte. Ach Gott. Bitte Frau Petrowskaja, selbst meine Mitschüler in Klasse 6. trugen »ewige Chucks« und Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Das scheint ja eine ziemlich einfache
Schriftstellerinszenierung zu sein, die Serhij Zhadan da vorlegt, nicht?
Schöne Buchmesse, Ihr (…)!
[14/03 15:49] – Arbeitsheft → Arbeitstitel: »Tinker Creek« (Einstieg)
Mit mehr oder weniger Unbehagen entgegen der Idee, dass man die Natur auch gemeinsam beschreiben könne, fuhren Greg Kiss und Fred Foligno, ihrerseits Volontäre beim Concord, einem –
zumindest in einschlägigen akademischen Kreisen – landesweit bekannten Magazin für Nature Writing, an einem milden, vor allem aber dunstigen Morgen des Jahres X in einem selbfgelben
Triumph Stag Cabriolet in Richtung des Gebirges, das die Stadt von Westen wie von Süden her umgibt.
Unerbittlich und mit offenem Verdeck rollte der Wagen über den Highway 60. Er gehörte Herb – Herb Schmidt – beim Magazin leitender Angestellter der Abteilung Presse &
Öffentlichkeitsarbeit, der wiederum recht kurzfristig nach Newport News, Virginia eilen musste, um bei seiner Schwester sein zu können, die kurz zuvor und quasi über Nacht zur Witwe
geworden war. Den Wagen lieh er den beiden unter der Voraussetzung, sie würden innerhalb eines Wochenendes genügend Material für einen Artikel mit dem Arbeitstitel »Return to Tinker Creek –
In Search of Annie Dillard« sammeln, der am darauffolgenden Donnerstag in der Herbstausgabe – dem vierten Heft des besagten Jahres – erscheinen sollte.
Fred betrachtete ein auf die Windschutzscheibe gedrücktes Kleintier, da wurde er von Greg gefragt:
»Freddi, sag mal. Hast du schon mal Musik gehört?«
»Musik?«, sagte Fred.
[13/03 12:54] – Arbeitsheft
Und schon wieder die FAS (11/03/):
Unerträglich ist bereits der Einstieg von Katja Petrowskajas Artikel zum neuen Buch von S. Zhadan (Internat). Dort heißt es:
»Vier Jahre sind seit der russischen Annexion der Krim vergangen. Auch der Krieg im Osten der Ukraine dauert – wie sogar meine Facebook-Freunde melden – länger an als die deutsche Okkupation
während des Zweiten Weltkriegs. Darin besteht gewiss keine Analogie, aber der Vergleich lässt uns den Zeitraum nachspüren.«
→ Entschuldigung. Also gute Frau Petrowskaja, so ein Einschub zu ihren Facebook-Freunden ist wirklich nicht vonnöten. Vor allem nicht, wenn noch im selben Satz die Deutsche Okkupation
erwähnt wird. Das ist auch kein gewitzter Gegensatz, den Sie da erzeugt haben, nein. Das ist ganz einfach gesagt auf ziemlich heikle Weise daneben.
Und, bitte. Jemand erkläre es mir bitte: Wer kann durch diesen Vergleich »den Zeitraum nachspüren.«? Wie alt müsste man da noch gleich sein? Und an welche Leserschaft richtet sich die FAZ
eigentlich?
*
Zu schreiben: Text über einen Arbeiter auf einer Lachsfarm in Norwegen.
*
Times New Roman –
Times of Love (Kasper Bjørke, TNR)
*
Wenn du jemals etwas gelernt hast,
dann, dass Güte sich in Abhängigkeit offenbart.
*
I found it hard
Its hard to find
Oh well, whatever, nevermind
*
(…) wie die Songs, die wir damals im Auto unserer Eltern hörten, ohne ihre Bedeutung jemals hinterfragt zu haben (→ R.E.M., Man on the Moon)
»Der Tag, an dem Mindy Miller dicke Oberschenkel bekam« (6, Abschluss)
(…)
Susan kam aus dem Wald zurück, den Fußball unterm Arm.
»Susan, sag mal«, sagte Mindy. »Findest du, dass ich dicke Oberschenkel hab'?«
[12/03 09:08] – Arbeitsheft
Jürgen Kaube über Matthias Senkels »Dunkle Zahlen« (FAS, 11.03):
»Borges minus Theologie plus Turing mal Bulgakow = Matthias Senkels fabelhaftes, verrücktes Buch „Dunkle Zahlen“.«
→ Wäre der Herr Kaube Mathematiker geworden, müsste man in der Sonntagsausgabe der FAZ jetzt wenigstens nicht so eine Grütze lesen. Die Literaturwelt ist ja glücklicherweise voll von Autoren und
Autorinnen, so dass man sich bei einer beliebigen Neuerscheinung schön frei bedienen kann, um allgemeingültige Rechnungen anzustellen.
Dieser Artikel ist = Journalismus auf Rönne-Niveau plus viel zu viele Einheiten literaturwissenschaftlicher Langeweile minus Magic mal 100 Einheiten Austauschbarkeit. Danke jedenfalls!
[12/03 13:29]
»Es war fast ein Gesetz, Carvers Gesetz, die Dinge nicht für eine ersehnte Zukunft aufzusparen, sondern das Beste, das ihm jeden Tag gegeben war, aufzubrauchen und darauf zu vertrauen, dass
weiteres kommen würde. Selbst die Packung der Zigaretten, die er rauchte, trug als Aufdruck einen Imperativ: NOW.«
– Tess Gallagher im Nachwort zu R. Carver: Ein neuer Pfad zum Wasserfall (1996)
»Der Tag, an dem Mindy Miller dicke Oberschenkel bekam« (5)
(…)
Die Stutzen – ein Geschenk ihrer Mutter – waren knallig rot und gefielen ihr nicht sonderlich. Aus dem einfachen Grund, sie nicht enttäuschen zu wollen, zog Mindy sie nun dennoch über ihre
Waden. Mindy schaute in den Himmel, als sie sich die Schuhe band. In einen allzu klaren Himmel, durch den hin und wieder eine seichte Wolke zog, und dann auf ihre Waden in diesem prall gefüllten,
dicken, roten Sockenstoff und war schockiert: Hatte sie jemals so dicke Waden gehabt? Hatte sie jemals den Sommer gerochen? Ihr Blick wanderte die Beine hinauf zu den Oberschenkeln, dessen
Anblick sie nicht weniger entsetzte.
(…)
[11/03 11:55] – Arbeitsheft
»Scheiß auf die in Polizeiwachen organisierten Psychiater, dachte er immer, wenn er die hundert Escudos im Durcheinander der Brieftasche suchte, scheiß auf die Großtempel der Psychiatrie, auf die
aufgeblasenen Etikettierer des Leidens, auf die Schwachköpfe mit der einzig widerlichen Form der Verrücktheit, die darin besteht, auf das Strafgesetzbuch der Lehrbücher gestützt, die Fremdheit
fremden Wahnsinns zu überwachen und zu verfolgen, scheiß auf die Kunst der Katalogisierung der Angst, scheiß auf mich selber, schloss er, während er das bedruckte Viereck einsteckte, denn ich
mache mit, indem ich zahle, anstatt in den Eimern mit dem verbrauchten Verbandszeug und in den Schreibtischschubladen der Ärzte Bomben zu verteilen, um in einem triumphalen Atompilz
einhundertfünfundzwanzig Jahre Überwachungsidiotie seit Pina Manique explodieren zu lassen.«
– António Lobo Antunes, Elefantengedächtnis (1979)
»Der Tag, an dem Mindy Miller dicke Oberschenkel bekam« (4)
(…)
Als Mindy auf dem Fahrrad angerollt kam, klingelte sie kurz und Susan – die gerade versuchte, den Ball aus einigen Metern an die Querlatte des Tores zu schießen – drehte sich um, nachdem sie die
unbeabsichtigte Flugbahn des Balls bis zu ihrem Ende verfolgt hatte. (Er landete einige Meter tief im Wald zwischen den Tannen, die durch die andauernde Trockenheit beinahe morsch geworden
waren). Nachdem sie sich – wie bei jeder ihrer Begrüßungen – ein low five gegeben hatten, lief Susan los in Richtung der kleinen Tür im Zaun, durch die man den Wald betreten konnte. Mindy setzte
sich auf den Rasen, um sich ihre Schienbeinschoner und Stutzen und Stollenschuhe anzuziehen.
(…)
[Nachtrag 07/03 12:26] – Arbeitsheft
Tauwetter auf Ledersohlen,
Graugesichter in den Straßen und
der Mann, der an jedem Tag vorm Supermarkt
mit seinem einen Bein im Rollstuhl sitzt
[10/03 10:57]
»Incarnate Devil in a talking snake,
The central plains of Asia in his garden,
In shaping-time the circle stung awake
(…)«
aus Dylan.Thomas, Incarnate Devil
[10/03 11:18]
Zu Nabokov, Pnin (1957):
»Der Schatten des Grauhörnchens (Maar) taucht in jedem Kapitel auf.«
[10/03 15:11]
(…)
»4. Wir werden eine so göttliche Welt erschaffen, wie wir sie uns in der Einbildungskraft vorstellen können – wir müssen die gegebene leere Welt immer weiter interpretieren & neu erschaffen
(denn sich nichts vorzustellen ist dasselbe wie nicht zu essen) entsprechend dem äußerst Absoluten an Göttlichkeit, das wir uns vorstellen können.«
– Allen Ginsberg, irgendwann zwischen 12. und 27.06.1953 (aus: A.G. – Notizbücher 1952-1962)
[10/03 15:16]
» (...) as large as life and twice as natural.«
– Lewis Carroll, Through the Looking-Glas
»Der Tag, an dem Mindy Miller dicke Oberschenkel bekam« (3)
(…)
Mindy spielte in einem Team der jüngsten Altersklasse an der South Stokes High School, im Mittelfeld, wo sie praktisch jede Spielrolle annehmen konnte. Jetzt, im Sommer, pausierte die
Mannschaft für acht Wochen mit dem Training, und so traf sich Mindy beinahe täglich mit ihrer Freundin Susan auf dem kleinen Fußballplatz, dessen immer frisch gemähter Rasen von einem etwa drei
Meter hohen Netzzaun umgeben war.
(…)
[09/03 10:23] – Arbeitsheft
Im aktuellen Zeit Magazin fragt Autor Matthias Kalle zu Illustrationen von Martina Flor folgendes: »Glück in Serie: »The Sopranos«, »Breaking Bad«, »The Wire« – Fernsehserien sind
kulturelle Ereignisse und eine gefeierte neue Erzählform. Wie konnte es dazu kommen?«
→ Es folgt eine lose Aneinanderreihung von Sendungen bzw. Sendeformaten der Fernsehgeschichte, die dann anschließend im Umfang einer halben Seite von Mitarbeitern diverser Zeit-Ressorts
kommentiert werden. Neues Futter fürs Binge-Watching, damit alle schön weiterhin die Klappe halten. Ist das euer Ernst? Das kann nicht euer Ernst sein. Kann das wirklich euer Ernst sein?
*
Reminder zu der Fotoreihe in der Zeit (Herbst 17?), in der Fatma Aydemir, Jakob Nolte und Philipp Winkler von asos(?) / von irgendeinem Mode-Unternehmen ausgestattet wurden, um anschließend ein
Interview zu ihren Romanen und Outfits zu führen … → »Beim Schreiben bist du Gott« → Wer von denen meinte das? Spielt es eine Rolle? Nein. Jakob Nolte meinte jedenfalls, er mag T-Shirts mit
Aufdrucken und Beschriftungen.
*
Fatma Aydemirs Erstling heißt »Ellenbogen«. Fatma Aydemirs Erstling heißt »Ellenbogen«. Ja, »Ellenbogen« …
[08/03 13:23] – Arbeitsheft
*
Etwas über 20 Sekunden auf Wave 104.1 (Myrtle Beach, SC)
Er: »(...) Happy Women's day«
Sie: »Okay yeah, I was wrong.«
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Mladen Gladić über »Handbuch der Zeiten« (Stefan Agopian) im Freitag:
»Was für ein Text, ey!“
(…)
»Was für ein Text, ey!«
(…)
»Was für ein Text jedenfalls, ey!«
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Titelseite FAZ, 08/03:
Deutlich mehr Drogennotfälle in Amerika –
Opioid-Epidemie weitet sich auf viele Bundesstaaten aus / 64 000 Drogentote im Jahr 2016
*
auf 95.5-The Coyote (Oklahoma City) werden die aktuellen Preise agrikultureller Güter in den Morgennachrichten durchgesagt.
*
Feuilleton S. 8 im Freitag: »Anlesen ohne Nackte – Ein Pinguin hat es Haruki Murakami angetan, Ferdinand von Schirachs Lakonie nervt und mitten aus Berlin-Mitte kommt ein Arztroman.
*
95.5-The Coyote: Die Moderatoren (m&w) unterhalten sich bestürzt über einen gerade des Mordes Angeklagten. Oklahoma, Todesstrafe, Hinrichtungen durch Stickstoff. Dann
Ticket-Giveaways für ein Konzert von (…)
»Der Tag, an dem Mindy Miller dicke Oberschenkel bekam« (2)
(...)
Die Martin Luther King Jr. Road ist eine lange, gerade und ebenmäßig asphaltierte Straße, an deren Rändern jeweils tiefer Nadelwald beginnt. Dies jedoch erst ab ihrer Hälfte, davor
erstrecken sich zu den Seiten Rapsfelder – mittlerweile zwar halb vertrocknet – aber dennoch weit genug, als dass sie Mindy regelmäßig dazu brachten, den Blick von der Straße abzuwenden und
über die Felder schweifen zu lassen, um zu schwelgen in einem Gefühl, sie würde den Sommer in seiner Gesamtheit erfahren. Gebündelt in diesem einen langen, ausgeruhten Blick in die Ferne.
(...)
[06/03 11:19] – Arbeitsheft
»Da stand Miss Richards, oder ich sollte eigentlich sagen: Die zweite Frau meines Vaters, hinter einem Seil, das die Maurer gerade da gespannt hatten, wo einstmals der Treppenabsatz gewesen war;
jetzt ragte er gefährlich und ohne Geländer in die Luft wie ein Teil eines Schiffsdecks. Es schien, als sei der Fußboden abgesägt worden. Sie war Vaters Sekretärin gewesen, und ich hatte sie oft
in seinem Büro gesehen. Aber nun war sie anders. Ihr blondes Haar war ganz lose frisiert, und sie hatte ein prätentiöses, auffallendes braunes Kleid an, das ziemlich ungeeignet war, auf dem Lande
getragen zu werden. Ich erinnere mich, wie seltsam beide aussahen, sie oben und mein Vater unten, und beide voller Entschuldigungen mir gegenüber.«
aus V.S. Pritchett: »Die Leiter« (1949)
[05/03/18 13:44 ] – Arbeitsheft
»Im allgemeinen ist es so, wenn mir eine Geschichte einfällt, daß sie – wirklich oder scheinbar – in toto da ist: ein langanhaltender Blitz, der die berührbare sogenannte wirkliche Welt
verdunkelt und einzig diese plötzlich geschaute pseudo-imaginäre Landschaft erhellt zurückläßt, ein Gelände, das von Gestalten, Stimmen, Räumen, Atmosphären, Wetter gefüllt ist.«
– T. Capote: »Die Stimme aus der Wolke«
(Lizenzausgabe Volk & Welt Berlin, 1983)
[16/11/15 10:17]
Ein guter Morgen
beim Kaffee auf dem Balkon
fliegt eine Taube über den Innenhof
bis gegen einen Häusergiebel
– es ist gut, sich zu erinnern an den Tod –
beim Kaffee auf dem Balkon
schafft eine Taube es im Innenhof
bis über einen Häusergiebel.
»Der Tag, an dem Mindy Miller dicke Oberschenkel bekam« (1)
Wie so oft in jenem Sommer fuhr Mindy (Mindy Miller, elfeinhalb, geboren in Winston-Salem, North Carolina) schon früh am Tag zu einem abgelegenen kleinen Fußballplatz am Rande von Walnut Cove,
ihrem Heimatort. Sie fuhr auf ihrem Fahrrad, einem Jungenrad mit einem 24er- Rahmen, der gerade erst wieder frisch von ihr besprüht worden war, wobei sie sich für ein sattes Dunkelgrün entschied.
Vielleicht dachte sie bei dieser Wahl an die Farbe des Nadelwaldes, in dem der kleine Fußballplatz gelegen war. Gerade als Mindy den Middlefork Drive verlassen hatte und dabei war, in
die Martin Luther King Jr Road einzubiegen, wunderte sie sich, wie sehr der Geruch dieses Sommermorgens dem von feuchter Erde glich.
(…)